Google hat kürzlich seinen neuen Quantenchip „Willow“ vorgestellt, der mit 105 supraleitenden Qubits eine beeindruckende Leistungsfähigkeit zeigt. Berechnungen, die selbst die schnellsten klassischen Computer Milliarden von Jahren bräuchten, werden in nur fünf Minuten erledigt. Besonders bemerkenswert: Willow demonstriert eine innovative Quantenfehlerkorrektur, bei der zusätzliche Qubits die Fehler nicht erhöhen, sondern sie exponentiell reduzieren. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu skalierbaren Quantencomputern.
Solche Durchbrüche sind beeindruckend, doch sie rufen auch die Debatten aus der frühen Quantenmechanik wieder ins Gedächtnis. Die Auseinandersetzung zwischen Werner Heisenberg und Albert Einstein über die Grundlagen der Quantenwelt hat nicht nur die Physik geprägt, sondern zeigt uns, warum Quantencomputer keine „schnelleren Computer“ sind, sondern etwas völlig anderes.
Heisenberg vs. Einstein: Der philosophische Konflikt
Werner Heisenberg erkannte mit seiner Unschärferelation, dass Ort und Impuls eines Teilchens niemals gleichzeitig exakt bestimmbar sind. Dies war mehr als nur eine technische Einschränkung – es stellte das klassische, deterministische Weltbild auf den Kopf. Die Quantenwelt ist probabilistisch: Ereignisse passieren nicht mit Sicherheit, sondern mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten.
Albert Einstein konnte diese Vorstellung nicht akzeptieren. Für ihn bleibt die Quantenmechanik eine Übergangstheorie, welche die Welt zwar sinnvoll beschreibt, aber unvollständig ist. Sein berühmtes Zitat „Gott würfelt nicht“ fasst seine Überzeugung zusammen, dass die Welt letztlich durch klar definierte Regeln gesteuert wird, auch wenn wir sie noch nicht vollständig verstehen. Besonders kritisch sah er die „spukhafte Fernwirkung“ der Quantenmechanik, bei der Teilchen scheinbar ohne direkten Kontakt miteinander interagieren. Diese Verschränkung ist heute einer der Grundpfeiler von Quantencomputern.
Einsteins Zweifel sind auch heute noch relevant – vor allem, wenn wir versuchen, die praktischen Konsequenzen der Quantenmechanik zu begreifen. Googles Fortschritte mit Willow basieren auf den Prinzipien, die Heisenberg beschrieben hat, und zeigen, wie weit diese Ideen mittlerweile in die Technologie vorgedrungen sind.
Warum Quantencomputer keine schnelleren Computer sind
Quantencomputer arbeiten nicht wie klassische Computer. Sie nutzen drei zentrale Prinzipien der Quantenmechanik:
- Superposition: Ein Qubit kann sich gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden (0 und 1). Das erlaubt es, viele Berechnungen parallel durchzuführen.
- Verschränkung: Qubits können miteinander „verbunden“ sein, sodass der Zustand eines Qubits den eines anderen beeinflusst, unabhängig von der Entfernung.
- Unschärferelation: Die inhärente Unvorhersehbarkeit in der Quantenwelt wird gezielt genutzt, um komplexe Probleme zu lösen.
Diese Prinzipien machen Quantencomputer für spezifische Aufgaben extrem effizient, wie etwa die Simulation von Molekülen oder die Optimierung komplexer Systeme. Für Alltagsanwendungen wie Textverarbeitung oder einfache Datenanalysen sind sie jedoch weder schneller noch besser geeignet. Sie sind keine bessere Version eines klassischen Computers – sie sind etwas völlig anderes.
Warum RSA gefährdet ist
Ein Bereich, in dem Quantencomputer weitreichende Konsequenzen haben könnten, ist die Kryptografie. Verfahren wie RSA basieren darauf, dass es extrem schwierig ist, große Zahlen in ihre Primfaktoren zu zerlegen. Mit klassischen Computern dauert das so lange, dass es praktisch unmöglich ist. Ein Quantenalgorithmus wie Shor’s Algorithmus hingegen könnte diese Aufgabe in realistischer Zeit bewältigen.
Die Bedrohung ist real: Viele der aktuellen Verschlüsselungsmethoden wären in einer Welt mit leistungsfähigen Quantencomputern nicht mehr sicher. Google’s Willow zeigt, dass diese Zukunft schneller kommt, als viele erwartet haben. Unternehmen und Regierungen müssen sich dringend mit quantensicheren Alternativen auseinandersetzen.
Quantensichere Kryptografie: Lösungen für eine neue Ära
Eine vielversprechende Alternative ist die gitterbasierte Kryptografie. Sie basiert auf mathematischen Gittern, also regelmäßigen Anordnungen von Punkten im mehrdimensionalen Raum. Die Sicherheit dieser Verfahren liegt in der Schwierigkeit, bestimmte Probleme in diesen Gittern zu lösen, etwa:
- Shortest Vector Problem (SVP): Den kürzesten Vektor in einem Gitter zu finden, ist selbst für Quantencomputer extrem aufwendig.
- Learning With Errors (LWE): Ein gestörtes Gleichungssystem zu lösen, bleibt auch mit Quantenalgorithmen unlösbar.
Ein bekanntes Verfahren aus diesem Bereich ist Kyber, ein Schlüsselkapselungsverfahren, das von der NIST als Standard für die Post-Quanten-Kryptografie ausgewählt wurde. Gitterbasierte Verfahren ermöglichen nicht nur sichere Kommunikation, sondern auch spannende Anwendungen wie vollständig homomorphe Verschlüsselung. Damit könnten Berechnungen direkt auf verschlüsselten Daten durchgeführt werden, ohne diese jemals zu entschlüsseln.
Warum Quantencomputer KI (noch) nicht revolutionieren
Trotz ihres Potenzials haben Quantencomputer derzeit wenig direkten Einfluss auf generative KI. Die Gründe dafür sind einfach:
- Optimierte Hardware: KI-Modelle wie GPT laufen auf GPUs und TPUs, die speziell für neuronale Netze entwickelt wurden. Diese Hardware ist effizienter als Quantencomputer für diese Aufgaben.
- Spezialisierung von Quantencomputern: Quantencomputer sind extrem leistungsfähig für spezifische Probleme wie Optimierung oder Simulation. KI erfordert jedoch allgemeinere Rechenleistung.
- Fehlende Algorithmen: Es gibt bisher keine Algorithmen, die die Prinzipien der Quantenmechanik direkt für maschinelles Lernen nutzen.
Das bedeutet nicht, dass Quantencomputer für KI irrelevant bleiben. Doch aktuell gibt es keinen direkten Einfluss auf die Fortschritte in der generativen KI. Klassische Systeme dominieren diesen Bereich weiterhin.
Fazit: Zwei Technologien, zwei Welten
Googles Fortschritte mit Willow zeigen, dass Quantencomputer unser Verständnis von Berechnung und Sicherheit grundlegend verändern werden. Doch ihre Auswirkungen sind spezifisch und konzentrieren sich auf Bereiche wie Kryptografie und Simulation. Für KI, insbesondere generative Modelle, bleiben klassische Systeme der Standard.
Quantencomputer sind keine besseren klassischen Computer – sie sind eine völlig andere Technologie. Sie zwingen uns, unsere Annahmen über Rechenleistung, Sicherheit und sogar die Natur der Realität zu überdenken. In dieser Hinsicht erinnern sie an die fundamentalen Fragen, die Einstein und Heisenberg einst beschäftigten. Was bleibt, ist die Herausforderung, diese neue Technologie verantwortungsvoll und klug zu nutzen, bevor sie die Grenzen dessen verschiebt, was wir heute für sicher und beherrschbar halten.
Ich hoffe, ich konnte euch die Auswirkungen verständlich und einfach beschreiben. Wer sich bezüglich Quantencomputer und Verschlüsselung weiter informieren möchte, empfehle ich die Videos von Veritasium zu diesem Thema: